Was ist Coxarthrose und warum ist sie medizinisch relevant?
Coxarthrose, auch als Hüftarthrose oder Arthrose im Hüftgelenk bezeichnet, ist eine degenerative Erkrankung des Hüftgelenks, bei der sich die Knorpelschicht der Gelenkfläche von Hüftkopf und Hüftpfanne fortschreitend abnutzt. Diese Erkrankung betrifft in Europa etwa 5-10% aller Erwachsenen. Ab dem 50. Lebensjahr findet sich ein rapider Anstieg. Über 50% der 75 Jährigen haben behandlungsbedürftige Arthrosen.
Der Gelenkknorpel, der normalerweise als Stoßdämpfer und Gleitfläche zwischen den Knochen fungiert, verliert seine Elastizität und wird dünner. Dies führt zu einer direkten Reibung zwischen Hüftkopf und Hüftgelenkspfanne, was subchondrale Sklerosierung und Knochenveränderungen zur Folge hat.
Mediziner unterscheiden zwischen zwei Hauptformen:
- Primäre Coxarthrose (20-25% der Fälle): Entwickelt sich ohne erkennbare Ursache
- Sekundäre Coxarthrose (75-80% der Fälle): Entsteht durch Vorerkrankungen, Verletzungen oder Fehlstellungen
Die medizinische Relevanz dieser Gelenkerkrankung liegt in den erheblichen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen. Unbehandelt führt die Hüftgelenksarthrose zu fortschreitenden Bewegungseinschränkungen und chronischen Schmerzen, die alltägliche Aktivitäten stark beeinträchtigen können.
Symptome und klinische Manifestation der Hüftgelenksarthrose
Das Leitsymptom der Coxarthrose sind belastungsabhängige Schmerzen in der Leistenregion, die häufig in den Oberschenkel ausstrahlen. Oft liegen auch Kniebeschwerden vor, ohne dass das Kniegelenk betroffen wäre. Diese Hüftschmerzen entwickeln sich typischerweise schleichend und verstärken sich bei Bewegung oder längerer Belastung des Hüftgelenks.
Frühe Anzeichen der Hüftarthrose:
- Anlaufschmerz nach Ruhephasen (morgens oder nach längerem Sitzen)
- Steifigkeitsgefühl im Hüftgelenk
- Bewegungseinschränkung bei der Innenrotation
- Schmerzen beim Treppensteigen oder längerem Gehen
Fortgeschrittene Symptome:
- Dauerschmerz auch in Ruhe
- Nächtliche Hüftbeschwerden, die den Schlaf stören
- Deutliche Bewegungseinschränkungen bei Flexion und Rotation
- Schonhinken und veränderte Gangart
- Muskelverspannungen im Hüft- und Rückenbereich
- Mögliche Beinlängendifferenz durch Gelenkdeformierung
Die Ausprägung und Progression der Beschwerden ist individuell sehr unterschiedlich. Während manche Patienten über Jahre hinweg nur leichte Symptome verspüren, kann sich bei anderen die Erkrankung rasch verschlechtern und zu erheblichen Funktionseinbußen führen.
Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf Coxarthrose
Die Diagnose einer Coxarthrose erfolgt durch eine Kombination aus detaillierter Anamnese, körperlicher Untersuchung und bildgebenden Verfahren. Dieser systematische Ansatz ermöglicht es Spezialisten, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und andere Ursachen für Hüftschmerzen auszuschließen.
Anamnese und klinische Untersuchung:
- Erfassung des Schmerzcharakters und der Belastbarkeit
- Evaluation der Beweglichkeit des Hüftgelenks
- Spezielle Tests wie Impingement-Tests
- Ganganalyse zur Beurteilung von Schonmechanismen
- Prüfung der Muskelkraft und Stabilität
Bildgebende Diagnostik: Die Röntgenuntersuchung unter Belastung gilt als Goldstandard für die Diagnose der Hüftgelenksarthrose. Sie zeigt charakteristische Veränderungen wie:
- Gelenkspaltverengung
- Osteophytenbildung (Knochensporne)
- Subchondrale Sklerosierung
- Zystenbildung im Knochen
Eine MRT-Untersuchung kann bei speziellen Fragestellungen oder zur Beurteilung von Weichteilstrukturen erforderlich sein, z.B. wenn es um den Gelenkerhalt mit umformenden Operationen geht.
Labordiagnostik: Blutuntersuchungen dienen dem Ausschluss entzündlicher Gelenkerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder Gicht. Bei der Coxarthrose sind die Entzündungsparameter typischerweise normal.
Schweregradeinteilung nach radiologischen Kriterien
Die Einteilung der Coxarthrose in verschiedene Schweregrade hilft bei der Therapieplanung und Prognoseeinschätzung. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die radiologischen Befunde nicht immer mit der Intensität der Beschwerden korrelieren.
Schweregrad | Radiologische Befunde | Typische Symptome | Therapieansatz |
---|---|---|---|
Grad 1 | Leichte Gelenkspaltverengung, erste Osteophyten | Meist asymptomatisch oder minimale Beschwerden | Konservative Therapie, Prävention, Bewegungstraining |
Grad 2 | Mäßige Gelenkspaltverengung, deutliche Osteophyten | Belastungsschmerzen, leichte Steifigkeit | Physiotherapie, Medikation |
Grad 3 | Deutliche Gelenkspaltverengung, subchondrale Sklerosierung | Ruhe- und Belastungsschmerzen | zunächst intensive konservative Therapie |
Grad 4 | Gelenkspaltaufhebung, ausgedehnte Veränderungen | Schwere Funktionseinschränkung | Operative Therapie erwägen |
Diese Klassifikation unterstützt Hüftspezialisten bei der individuellen Behandlungsplanung und der Aufklärung der Patientinnen und Patienten über den Verlauf ihrer Erkrankung.
Konservative Therapieoptionen der Coxarthrose
Die konservative Behandlung bildet das Fundament der Coxarthrose-Therapie und sollte vor jeder operativen Maßnahme ausgeschöpft werden. Studien belegen, dass eine konsequent durchgeführte konservative Therapie bei vielen Patienten zu einer deutlichen Symptomverbesserung führt.
Physiotherapie als Kernbaustein:
- Gezielte Übungen zum Erhalt der Beweglichkeit
- Muskelkräftigung, insbesondere der Hüftmuskulatur
- Koordinations- und Gleichgewichtstraining
- Gangschulung zur Vermeidung von Schonhaltungen
- Verhaltensmassnahmen, um Überlastungen zu vermeiden.
Gewichtsmanagement: Übergewicht stellt einen der wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren dar. Eine Gewichtsreduktion von bereits 10 kg kann das Risiko für eine Progression der Hüftarthrose um bis zu 50% reduzieren.
Gelenkschonende Sportarten:
- Schwimmen und Aqua-Jogging
- Radfahren auf ebenem Terrain
- Nordic Walking mit angepasster Intensität
- Tanzen mit moderater Belastung
- Yoga und Tai Chi für Flexibilität
Physikalische Therapie:
- Wärmeanwendungen bei Steifigkeit
- Kältetherapie bei akuten Schmerzen
- Hydrotherapie und Balneotherapie
Orthopädietechnische Hilfsmittel:
- Gehstützen zur Entlastung
- Fersenpolsterung zur Dämpfung der Auftrittdruckes
- Schuhzurichtungen bei Beinlängendifferenz
Medikamentöse Behandlung bei Hüftgelenksarthrose
Die medikamentöse Therapie der Coxarthrose zielt primär auf eine Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Die Auswahl der Schmerzmittel erfolgt stufenweise nach dem WHO-Schema und unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren.
Erstlinientherapie – NSAR (Nichtsteroidale Antirheumatika):
- Ibuprofen: 400-600 mg bis zu 3x täglich
- Diclofenac: 50 mg bis zu 3x täglich
Wichtige Hinweise zu NSAR: Bei längerer Anwendung besteht das Risiko für Magen-Darm-Beschwerden und Herz-Kreislauf-Probleme. Daher sollte die niedrigste wirksame Dosis für den kürzesten notwendigen Zeitraum verwendet werden. Man braucht zwingend einen Magenschutz, z.B. Pantoprazol, den man 1/2 Stunde vor dem Frühstück nehmen muss. NSAR können sonst unbemerkt Magen-Darm-Blutungen auslösen.
Alternative Schmerzmittel:
- Paracetamol bei leichten bis mäßigen Schmerzen (bis zu 4g täglich)
Intraartikuläre Injektionen:
- einzelne Kortikosteroid-Injektionen bei aktivierter Arthrose
Die Beratung durch erfahrene Spezialisten ist essentiell, um die optimale medikamentöse Behandlung für jeden einzelnen Patienten zu finden.
Gelenkerhaltende operative Verfahren
Wenn konservative Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichend wirken, stehen gelenkerhaltende Operationen zur Verfügung. Diese Operationen zielen darauf ab, die natürliche Hüftgelenksstruktur zu erhalten und sind besonders für jüngere Patienten mit begrenzten Knorpelschäden geeignet.
Hüftarthroskopie (Gelenkspiegelung):
- Minimalinvasive Technik mit kleinen Hautschnitten
- Behandlung von Labrumrissen
- Korrektur des femoroazetabulären Impingements (FAI)
Minimal-invasive, offene Operationen:
- Umformung bei Wulstbildung am Kopf-Hals-Übergang bei CAM-Impingement
- Umformung bei Randwülsten der Pfanne bei Pincer-Impignement
Umstellungsosteotomien:
Diese Operationen verändern die Gelenkstellung, um die Belastung auf weniger geschädigte Bereiche zu verlagern. Sie sind nur bei angeborenen Störungen der Ausbildung des Hüftgelenkes indiziert, also z.B. Beckenoperation bei Hüftdysplasie. Sie werden im jungen Erwachsenenalter durchgeführt.
Endoprothetischer Gelenkersatz bei fortgeschrittener Coxarthrose
Die Hüfttotalendoprothese (H-TEP) stellt bei fortgeschrittener Coxarthrose den Goldstandard dar und gehört zu den erfolgreichsten Operationen in der Orthopädie. Moderne Prothesen erreichen bei Patienten über 60 Jahren Standzeiten von über 95% nach 15-20 Jahren.
Indikationen für einen Gelenkersatz:
- Hartnäckige Schmerzen trotz optimaler konservativer Behandlung
- Erhebliche Funktionseinschränkung im Alltag
- Radiologisch nachgewiesene fortgeschrittene Arthrose (Grad 3-4)
- Deutliche Einschränkung der Lebensqualität
- Nächtiche Schmerzen, so dass man davon aufwacht
Prothesentypen und Materialien:
- Zementfreie Prothesen: Übliche Versorgung bei weit mehr als 90% der Patienten
- Zementierte Prothesen: Ausnahme bei älteren Patienten mit ausgeprägter Osteoporose
- Hybrid-Verankerung: Kombiniert beide Verfahren, üblicherweise mit zementfreier Pfanne und zementierten Prothesenschaft.
Moderne Gleitpaarungen:
- Keramik-Polyethylen: Heute häufigste Paarung, früher wegen Keramikbrüchen ungünstig
- Metall-Polyethylen: Bewährte Standardkombination, die stetig weniger benutzt wird. Das Polyethylen ist in der Regel hochvernetzt, um den Abrieb zu reduzieren, teils mit Vit. E-Zusatz

Erfahrungsberichte von Patienten nach einer ambulanten Hüft-OP:

Operative Techniken und perioperative Besonderheiten
Die moderne Hüftendoprothetik hat sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Neue Operationstechniken und perioperative Konzepte verbessern die Ergebnisse und verkürzen die Rehabilitationszeit.
Operationszugänge:
- Anteriorer oder anterio-lateraler Zugang: Schonung der Muskulatur, schnellere Rehabilitation
- Lateraler Zugang: Grosse Durchtrennung der Muskulatur, Blutungsneigung und erschwerte Rehabilitation
- Postero-lateraler oder posteriorer Zugang: Geht durch die grosse Muskulatur am Gesäß, die Muskulatur muss erst heilen, vermehrte Blutung
Computer-assistierte Chirurgie:
Hat sich nicht bewährt. Bekannt ist das Börner-Hinken, benannt nach einem Operateur, der Roboter eingesetzt hat. Dient zur Knochenpräparation , aber schädigt die wichtige Weichteile, wie die Muskulatur
Fast-Track-Konzepte: Moderne perioperative Behandlungsmaßnahmen ermöglichen:
- Optimiertes Schmerzmanagement
- Frühe Mobilisation bereits wenige Stunden nach der Operation
- Verkürzter Krankenhausaufenthalte (3-5 Tage)
- sinnvoller Weise mit einem detaillierten Prähabilitationskonzept verbunden
Prähabilitation:
- Vor der Operation erfolgt ein umfassendes Training mit Verhaltensmassnahmen und Übungsbehandlung
- wichtige Vorbereitungen mit Information zum Ablauf der Behandlung
Wichtige perioperative Aspekte:
- Thromboseprophylaxe zur Vermeidung von Blutgerinnseln
- Infektionsprävention durch antibakterielle Massnahmen
- Prähabilitation
- Nachkontrolle 6 Wochen nach Operation mit Röntgenkontrolle
Häufig gestellte Fragen zur Coxarthrose
Ist Hüftarthrose heilbar? Degenerative Knorpelschäden sind irreversibel, jedoch ist oft eine Reduktion der Beschwerden durch konservative Behandlungen möglich. Die Versorgung mit einer Hüftprothese ist eine gute Möglichkeit, um wieder schmerzfrei beweglich und belastbar zu sein.
Wann ist eine Operation notwendig? Eine Operation wird empfohlen bei nicht zu verbessernden Schmerzen, erheblicher Funktionseinschränkung oder gestörter Nachtruhe.
Wie lange hält eine Hüftprothese? Moderne Implantate zeigen Standzeiten von über 95% nach 15-20 Jahren. Die Haltbarkeit hängt v.a. von Alter und Aktivität ab.
Welcher Sport ist bei Hüftarthrose erlaubt? Gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Radfahren und Nordic Walking sind empfehlenswert. Stop-and-Go- und Sprungsportarten sollten vermieden werden.
Kann man Hüftarthrose vorbeugen? Normalgewicht, regelmäßige Trainingstherapie und frühzeitige Behandlung von Hüftfehlstellungen können das Arthroserisiko reduzieren.
Wie erfolgt die Nachbehandlung nach einer Hüftprothesen-OP? Die Rehabilitation umfasst Physiotherapie, schrittweise Belastungssteigerung und eine ärztliche Kontrolle mit Röntgen 6 Wochen nach der OP.
Sind beide Hüftgelenke gleichzeitig betroffen? Etwa 30% der Patienten entwickeln eine beidseitige Coxarthrose, meist zeitlich versetzt.
Sollte man beide Hüftgelenke gleichzeitig operieren?
Davon muss dringend abgeraten werden. Bei gleichzeitiger Operation beider Hüftgelenke ist man in der Mobilisierung erheblich eingeschränkt, manche Patienten brauchen bis zur knöchernen Integration der beiden Prothesen einen Rollstuhl. Das Infektionsrisiko bei beidseitiger Operation liegt bei 4 % (einseitig < 1%). Dann kann es nötig sein, beide Prothesen zu entfernen – eine schreckliche Tortur.
Welche Rolle spielt die Vererbung? Genetische Faktoren können das Arthroserisiko erhöhen, entscheidender sind jedoch Lebensstil und Belastung.
Zusammenfassung: Evidenzbasierte Therapieempfehlungen
Die Behandlung der Coxarthrose folgt einem strukturierten Stufenkonzept, das individuell an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst wird. Konservative Maßnahmen stehen dabei immer am Beginn der Therapie und können bei konsequenter Durchführung zu deutichen Verbesserungen führen.
Kernpunkte der evidenzbasierten Behandlung:
- Frühzeitige Diagnose durch erfahrene Spezialisten ermöglicht rechtzeitige Intervention
- Konservative Therapie mit Physiotherapie, Gewichtsreduktion, Verahltensmassnahmen und medikamentöser Schmerzbehandlung als Erstlinientherapie
- Gelenkerhaltende Operationsverfahren bei jüngeren Patienten zur Vermeidung der Arthroseentwicklung
- Endoprothetik bei fortgeschrittener Arthrose bietet hohe Erfolgsraten und Lebensqualitätsverbesserung
- Individuelle Beratung berücksichtigt Alter, Beschwerden, Begleiterkrankungen und Lebensumstände
Die Langzeitprognose der Coxarthrose hängt maßgeblich von der frühzeitigen Diagnose und adäquaten Therapie ab. Durch moderne Behandlungskonzepte können heute die meisten Betroffenen eine deutliche Verbesserung ihrer Beschwerden und der Lebensqualität erreichen.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Patienten und dem Behandlungsteam ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Betroffene können viel selbst tun. Gezielte Bewegungsübungen finden Sie als Videos zum Nachturnen in meinem „Ratgeber Hüfte“, Springer-Verlag. Ebenso ausführlichere Informationen zu Verhaltensmassnahmen für eine Besserung der Beschwerden und Erklärungen zur Anatomie, operativer Versorgung und für eine gezielte Prähabiliation.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen.
Joachim Grifka